31. Mai 2017
Die älteste Teilnehmerin war 92 Jahre alt, der jüngste Besucher zwei Monate: So breit war nicht nur das altersmäßige Spektrum auf der Feier für „Siebzig Jahre Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ in Hof / Wunsiedel. 19. April 1947. Knapp zwei Jahre erst waren seit der Befreiung Deutschlands vom Faschismus vergangen. Immer noch prägten Hunger, Chaos, Wohnungsnot, Einquartierungen, wenige Verdienstmöglichkeiten und die Folgen einer zerstörten Infrastruktur das Land. In diese schwere Zeit fällt die Gründung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Hof. Zur Feier dieser siebzig Jahre begrüßte Nanne Wienands, Vorsitzende der VVN-BdA Hof / Wunsiedel, neben einer Vertretung der VVN-BdA aus dem Vogtland und den Chemnitzer Musikern Sabine Kühnrich und Ludwig Streng von „Quijote“, zahlreiche weitere Gäste. Ins Foyer des Museums Bayerisches Vogtland saßen Gewerkschaftsvertreter einträchtig neben zwei Nonnen, ortsbekannte Historiker neben jungen Antifaschisten und Antifaschistinnen, dazwischen Sozialdemokraten, Grüne und DKP-Mitglieder, Stadträte, Landtagsabgeordnete und ein Dekan – eine bunt gemischte Gesellschaft zeigte großes Interesse an diesem außergewöhnlichen Abend. Sie alle hieß Museumsleiterin Sandra Kastner im Namen der Stadt Hof willkommen. Nanne Wienands erinnerte in ihrer Ansprache an beeindruckende Veranstaltungen, die die VVN-BdA u.a. zusammen mit „Hof ist bunt, nicht braun“ organisierte: Das Konzert mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejerano mit der „Microphone Mafia“ im Haus der Jugend 2016 oder das Gedenkkonzert in der Hospitalkirche mit Irith Gabriely im vergangenen November. Überdies gab es Filmveranstaltungen und Vorträge, nicht zuletzt im Rahmen der Hofer Frauentage. Mit ihren Forderungskatalogen, den sogenannten „blauen Flyern“, von 2013 bzw. 2016, habe die VVN-BdA in die Diskussion eingegriffen, “ wie wir uns die Stadt Hof vorstellen, wenn sie ganz offensiv mit ihrer Vergangenheit umgehen würde. Wenn sie Menschen ehren würde, die während des Naziregimes Widerstand geleistet haben – oft bis zu ihrem gewaltsamen Tod.“ Wienands erinnerte auch an ihren Vorgänger, Klaus-Bruno Engelhardt, und an seine Eltern Alfred und Emma aus Schwarzenbach/Saale. Sie seien für die und viele andere Mitstreiter Vorbild gewesen. Außerdem bedankte sie sich ausführlich bei ihrem Vorstandsteam: Bei Stellvertreter Thomas Etzel, Stadtrat in Hof, und Eva Petermann, ebenfalls aus Hof, sowie der Kassiererin Regina Scholz aus Oberkotzau. Intensiv erforscht hat das für die Hofer Stadtgeschichte wichtige Ereignis der VVN-Gründung Randolph Oechslein von der DKP Hof. „Im August 1945 schlossen sich Überlebende des Naziterrors in Hof im „Antifaschistischen Kampfbund“ zusammen. Am 19. April 1947 wurde in der Hofer Gaststätte „Löwenbrau“ beschlossen, die Gruppe in eine Ortsgruppe der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ umzuwandeln – übrigens gab es damals bereits wieder frech auftretende Nazis, gegen die man demonstrierte.“ Einzige Frau im Vorstand war Rosa Degenkolb, die Witwe von Philipp Heller. Er war ermordet worden wie auch die KPD-Mitglieder Hans Merker und Ewald Klein. Weitere wichtige Persönlichkeiten jener Zeit im Umfeld der VVN waren z.B. Christoph Fraas von der SPD, Hans Schiller von der KPD und Christoph Knöchel. „Sie alle wollten die demokratischen Kräfte in Hof stärken“, so Randolph Oechslein. Als Festredner war Florian Ritter, SPD-Landtagsabgeordneter, von München nach Hof gekommen. Der legendäre „Schwur von Buchenwald“, entstanden nach der Befreiung des dortigen Konzentrationslagers, war Dreh- und Angelpunkt seiner Rede. Das langjährige VVN-Mitglied Florian Ritter betonte eingangs, wie das Anliegen der VVN ihn von Kindheit an tief berührt habe: geboren an einem 8. Mai, aufgewachsen in der Nähe von Dachau. Zwar sei die Geschichte der VVN „nicht einfach“ gewesen. Doch sei das oberste Ziel nie aufgegeben worden: die Bekämpfung des Faschismus. Über Partei- und Meinungsgrenzen hinweg habe es immer wieder wichtige politische und menschliche Impulse aus der VVN gegeben. „Menschen mit einem großen Lebenswillen waren und sind aktiv bei der VVN, obwohl sie Folter und Verbrechen erlebt haben. Trotz der mit Problemen behafteten antifaschistischen Arbeit zeigen sie Lebensfreude, Geduld und Humor,“ betonte er. Der Schwur der ehemaligen KZ-Häftlinge sei die eigentliche Geburtsstunde der VVN gewesen. „Das Ziel zu formulieren `Wir wollen eine neue Welt des Friedens und der Freiheit` war nicht leicht, wenn man gerade nach jahrelanger Haft und traumatischen Erlebnissen von den amerikanischen, den englischen oder den russischen Soldaten befreit worden war. Dazu kam, dass die Überlebenden des Krieges den Neuaufbau wollten – und keine Erinnerung an Auschwitz und die Gräueltaten der Nazis.“ Eine Aufarbeitung habe lange nicht im erforderlichen Umfang stattgefunden. Immer noch seien „die Namen der Täter bekannter als die Namen der Opfer. Es war und ist häufig die VVN, die die Namen der Dunkelheit entreißt!“ Vor allem die VVN-Mitglieder seien es gewesen, die den politisch Verantwortlichen „Gedenkstätten abgerungen hätten, Gedenkkultur und Gedenkpädagogik“. Vor diesem Hintergrund sei die Nennung der VVN-BdA im bayerischen Verfassungsschutzbericht „an Ungerechtigkeit nicht zu überbieten!“ Mit dieser Diskriminierung müsse endlich Schluss sein. Der zweite Teil des Abends gehörte der Kultur. Die Gruppe „Quijote“ hat sich in Hof schon vor einigen Jahren einen Namen gemacht – damals mit einem Solidaritätskonzert für Griechenland. Ihre Lieder – teils eigene Kompositionen, teils Übersetzungen berühmter Lieder z.B. von Mikis Theodorakis – handeln von Verfolgung und Widerstand, von Liebe und Solidarität und dem täglichen Kampf für ein besseres, friedlicheres Leben. Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Und weil der Mensch ein Mensch ist…“ von Brecht / Eisler klang dieser außergewöhnliche Abend aus. Wiedersehen in Hof 1945 Die musikalische Ausgestaltung des Abends hatten Ludwig Streng und Sabine Kühnrich von der Gruppe Quijote aus Chemnitz übernommen – Musik der Spitzenklasse, antifaschistische Lieder internationaler Prägung, tolle Stimmen. Und eine ganz außerordentliche Anekdote aus der Hofer Nachkriegszeit wusste Ludwig Streng zu berichten, die bisher selbst den Hofer VVN-Vertretern unbekannt war: Nach seiner Befreiung aus KZ-Haft und Todesmärschen auf dem Heimweg Richtung Chemnitz im Mai 1945 kam Justin Sonder, Jahrgang 1925 , durch Hof. Am „Marktplatz“ gab es eine Gastwirtschaft, die Suppe an Bedürftige verteilte. Seinem Freund, mit dem er unterwegs war, fiel ein Mann auf, der nur wenige Meter entfernt von den beiden saß. Justin Sonder – damals 20 Jahre alt – drehte sich um: Und erkannte seinen eigenen Vater! Die bewegende Freude der beiden kann man sich kaum vorstellen. Seit kurzem übrigens ist Justin Sonder Ehrenbürger seiner Heimatstadt Chemnitz. http://www.vvn-bda-chemnitz.de/aktuelles/