Arno Behrisch (1913-1989) : „Einer, der den Hofern etwas zu sagen hatte“
GEW und VVN erinnern an den einstigen Hofer Abgeordneten
Für seine neue Heimat Hof, in die es ihm nach skandinavischem Exil 1945 verschlagen hatte, hat sich Arno Behrisch nach Kräften eingesetzt.
Seine konkreten Vorschläge für eine gezielte Strukturpolitik für die Grenzlandregion mit dem Titel „Oberfranken im Würgegriff“ waren wegweisend. Als Journalist stand der langjährige Chefredakteur der „Oberfränklschen Volkszeitung“ ein für politische Aufklärung und demokratischen Meinungsstreit. Das konnte die einstige Nazi-Hochburg durchaus gebrauchen.
Wurde es ihm gedankt? Sein Name findet sich weder auf der Homepage der Stadt Hof noch auf dem Stadtplan. Kein Wort mehr davon, dass Behrisch fünfzehn Jahre lang ein wichtiger Akteur im politischen und publizistischen Geschehen Hofs und Nordostoberfrankens war. Immerhin wählten die Hofer den SPD-Spitzenkandidaten 1946 in den Landtag. 1949 schickten sie ihn mit einem Direktmandat in den Bundestag. In seinem politischen Leben wird der Wandel vom Kalten Krieg zur Entspannungspolitik sichtbar. Wie in einem Brennglas scheinen zentrale Konflikte deutscher Geschichte auf.
Gründe genug für die Kreisvorstände der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hof und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Hof-Wunsiedel, um mit einer Veranstaltung im Hofer „Genossenschaftsheim“ dieses couragierten Gewerkschafters, Nazigegners und Friedenskämpfers zu gedenken.
GEW-Kreisvorsitzender Karlheinz Edelmann begrüßt als Referenten seinen Gewerkschaftskollegen Peter Weiss. Dieser berichtet, wie tief beeindruckt er als junger Mann war von der Begegnung mit Behrisch. Der Weidener Lehrer entpuppt sich als versierter Anekdotenerzähler. Ein gebanntes Publikum, darunter auch einige Hofer Polit-Prominenz, erfährt jede Menge Details aus dem wechselvollen Leben des gebürtigen Dresdners.
„Ein Geschöpf der Arbeiterbewegung“, nennt ihn Weiss. Mit noch nicht vierzehn Jahren bereits schließt sich der Schriftsetzerlehrling der Gewerkschaft an. Dass sein Vater aus dem 1. Weltkrieg nicht zurückkommt, flößt ihm einen unüberwindlichen „Abscheu vor dem Barras“ ein.
Früh auch Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend verschlingt der junge Arno Bücher u.a. von Bebel und Rosa Luxemburg und tritt mutig auf gegen die immer dreister werdenden Nazis. 1931 schließt er sich der SAP an, einer Abspaltung von der SPD, und setzt sich für die Einheitsfront von SPD und KPD ein.
Peter Weiss schildert, wie sich der Zwanzigjährige nach der Machtübertragung an Hitler 1933 durchschlägt – von Osteuropa bis in den hohen Norden nach Schweden. Dort stellt er zusammen mit deutschen Sozialdemokraten illegale Druckschriften für den Widerstand in Nazi-Deutschland her.
Dass er auch an Sabotageakten und an Special Operations des britischen Geheimdienstes teilnimmt, macht ihn wie auch seine Weggefährten im Exil , u.a. Willy Brandt, in den Augen der Rechten zum „bezahlten Agenten“. Gegen derartige Verleumdungen setzt sich Behrisch beherzt zur Wehr, mitunter gerichtlich. Aber die ständigen Rufmord-Kampagnen zermürben ihn auch. Als Wortführer tat sich dabei übrigens ein früherer HJ-ler hervor, der sich als junger Mensch für die SS hatte rekrutieren lassen.
All das tut Behrischs geradezu volkstümlicher Beliebtheit letztlich keinen Abbruch, im Gegenteil. Seite an Seite mit dem späteren SPD-Oberbürgermeister Hans Högn kämpft er in den 50ern gegen die Remilitarisierung. Doch 1956 stimmt die SPD mehrheitlich für die neuen Wehrgesetze.
Enttäuscht wendet sich Behrisch 1961 der Deutschen Friedensunion (DFU) zu, einem Sammelbecken der linken Opposition, einschließlich der Kommunisten. Das macht ihn beim etablierten Hof endgültig zur „Unperson“. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag zieht Behrisch nach Nordrhein-Westfalen. Seine politischen Schwerpunkte sind der Kampf für die Entspannungspolitik und gegen den Demokratie-Abbau, u.a. durch die Berufsverbote. Als davon Betroffener outet sich eher beiläufig der Referent, wie Arno Behrisch ein ehemaliges Mitglied der SPD.
Ende der Siebziger schließlich kehrt der Mitbegründer der deutschen Ostermarsch-Bewegung mit seiner zweiten Frau nach Hof zurück. Wie ein Vermächtnis an die Hofer wirkt heute sein letzter öffentlicher Auftritt wenige Tage vor seinem Tod: Am 4. September, a uf der machtvollen DGB-Kundgebung anlässlich des Antikriegstags, 1989 plädiert er ein letztes Mal leidenschaftlich für Abrüstung und Frieden. Nicht nur Peter Weiss ist tief bewegt von diesem „Aufklärer und Polemiker“: „Da stand ein Agitator im positiven Sinne, einer, der etwas zu sagen hatte.“
Nachfragen und Ergänzungen aus dem sachkundigen Publikum gab es so viele, dass der Referent eine Fortsetzung versprach. Ältere Hofer und Hoferinnen, die eigene Erfahrungen und Informationen zu Arno Behrisch beisteuern möchten, können sich gern an die Hofer GEW oder an die VVN wenden.
Eva Petermann