Gedenkkonzert mit dem Duo Irith Gabriely und Peter Przystaniak macht Mut

9. November 2016

Der Anlass war bedrückend, aber die Musik höchst dynamisch, aufregend und mitreißend: Die israelische Klarinettistin Irith Gabriely und der Pianist und Komponist Peter Przystaniak waren am Jahrestag der „Reichspogromnacht“ auf Einladung des Hofer Bündnisses für Zivilcourage „Hof ist bunt und nicht braun“ und der VVN-BdA Hof / Wunsiedel (Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) nach Hof gekommen. Über einhundert Besucher ließen sich in der Hospitalkirche vom ersten Stück an in den Bann der Musik ziehen. Klezmer und Jazz, Romantisches und Flottes wechselten sich ab. Ungewohnt dynamische Klänge, und das – man glaubt es kaum – alles innerhalb einer guten Stunde in der ehrwürdigen Umgebung der Hospitalkirche, und es passte wunderbar zusammen. Das Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 geriet mit diesem Abend zu einem kulturellen Ereignis der besonderen Art: Die virtuos vorgetragene Musik der international renommierten Darmstädter Künstler vermittelte den Besuchern Kraft und Lebensfreude. Irith Gabriely ließ ihre Klarinette singen und flüstern, grummeln und jubilieren – schräg und harmonisch gleichzeitig. Die in Haifa geborene Musikerin studierte von 1968-1972 Klarinette, Klavier, Dirigieren und Philosophie an der Universität Tel Aviv. 1986 gründete sie, neben ihrer Tätigkeit als erste Klarinettistin am Staatstheater Darmstadt, gemeinsam mit dem Pianisten, Arrangeur und Komponisten Peter Przystaniak die Klezmergruppe „Colalaila“, mit der sie seitdem in vielen Ländern Europas Konzerte gibt. Als „Queen of Klezmer“ bekam sie mit Colalaila auf dem Edinborough Festival 1998 eine weitere besondere Auszeichnung. Es folgten viele erfolgreiche Konzerte, u. a. im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, der Musikhalle Hamburg, in der Alten Oper in Frankfurt und dem Kieler Schloss. Die weltweit bekannte Musikerin versteht sich als Mittlerin zwischen den verschiedensten Musikstilen und Religionen. Sie erklärte die für das Konzert in Hof ausgewählten Stücke, u.a. von Benny Goodman, der von Anfang an mit schwarzen Musikern zusammenarbeitete zu einer Zeit, als der Rassismus in den USA zum Alltag gehörte. Eine Reihe von Stücken hatte ihr Pianist Peter Przystaniak selbst komponiert. So vertonte er Bilder Chagalls, die auf Kirchenfenstern des Mainzer Doms zu sehen sind. Przystaniak ist an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt verantwortlich für die Bereiche Klavier, Ensemblearbeit und Komposition. Außerdem arbeitet er musikalischer Gospel-Chorleiter. Vor einem faszinierten Publikum brachte er das kleine Klavier in der großen Kirche schier zum Tanzen – so manchen Zuhörer riss es fast vom Sitz. Mit diesem kulturellen Beitrag brachten die beiden Künstler eine neue Form des Gedenkens nach Hof. In der Kultur sind Erinnerung und Mahnung gleichermaßen aufgehoben. Gleichzeitig machten Gabriely und Przystania Mut für eine Zukunft ohne Rassismus, für ein Leben in gegenseitigem Respekt und für friedliches Zusammenleben. Nanne Wienands , Vorsitzende der VVN-BdA Hof-Wunsiedel und aktiv im Hofer Bündnis war bei ihrer Begrüßung darauf eingegangen, dass sich heute wohl niemand vorstellen kann, welche Stimmung im Jahr 1938 herrschte. Heute denke man an die Menschen, die sich trügerisch in Sicherheit glaubten. An die Warner, die hellsichtig das ungeheure Verbrechen vorhersahen, und auch an diejenigen, die Krieg und Massenmord vorbereiteten. Nie wieder dürfe man die Demokratie als Staats- und Gesellschaftsform aufs Spiel setzen, „und dafür müssen wir auch auf die Straße gehen,“ meinte sie. Unter der Leitung ihres Lehrers Benjamin Reuter hatten einige junge Schülerinnen und Schüler der Hofer Realschule ein kurzes Anspiel zum Thema „Meine, deine, unsere Religion“ gezeigt. Auch wenn die Stimmen in dem großen Kirchenraum fast untergingen, so war doch der Ernst der Kinder und die Deutlichkeit ihres Anliegens deutlich spürbar. Christian Schlademann vom Hofer Bündnis „Hof ist bunt und nicht braun“ überbrachte abschließend nochmals den Dank an die Gastgeber Pfarrer Johannes Taig, Pfarrer Rudolf Koller und Stadtkantor Georg Stanek. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie die Israelitische Kultusgemeinde und nicht zuletzt die Stadt Hof und ein Zuschuss des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ hatten bei der Finanzierung dieses außergewöhnlichen Abends mitgeholfen. Schlademann überreichte den Künstlern zum Abschied Blumen und Hofer Schokolade sowie eine CD mit Kirchenmusik aus der Hospitalkirche. Erst nach einigen Zugaben machten sich die beiden Künstler und die zahlreichen Zuhörer auf den Heimweg.