29. Juli 2018
Bewegende Erinnerungsveranstaltung für Rosa Opitz
oben: Gesprächsrunde beim Abend für Rosa Opitz
unten: Rosa Opitz im Filmdokument des BR aus dem Jahr 1990
Leitfigur und Vorbild „Man kann immer etwas tun“
„Man kann immer etwas tun“ war das Lebensmotto von Rosa Opitz (geb. am 14. 9. 1908, gestorben am 3.2.2001), sagte Reiner Frank. Er war einer der Zeitzeugen auf der Veranstaltung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Hof / Wunsiedel zu Ehren der mutigen Nazigegnerin und „Frau der ersten Stunde“ nach 1945 in Hof. Sie soll bekanntlich nach einstimmigem Stadtratsbeschluss am 23. April diesen Jahres mit einer Platzbenennung im „Vertl“ geehrt werden.
Die Wahl des kleinen Parks gegenüber ihrem jahrzehntelangen Wohnsitz in der Leimitzer Straße und vor der Christian-Wolfrum-Schule, deren Schulpflegschaft sie angehörte, begrüßte Frank von ganzem Herzen.
Dies entsprach vollauf der Stimmung der überaus zahlreichen Besucherinnen und Besucher im überfüllten Konferenzsaal im Hotel Strauß, unter ihnen viele Unterstützerinnen der Rosa-Opitz-Initiative wie auch persönliche und politische Freundinnen und Freunde sowie einige Prominenz verschiedener Parteizugehörigkeit. Nicht zuletzt war die Frauenbeauftragte der Stadt Hof, Dr. Katharina Bunzmann, gekommen.
Wegen der vielen Wiedersehensgespräche an allen Ecken und Enden konnte Nanne Wienands die Veranstaltung erst mit fast halbstündiger Verspätung eröffnen.
Die Kreisvorsitzende der VVN-BdA Hof/Wunsiedel erinnerte daran, dass die VVN-BdA seit Jahren eine öffentlich sichtbare Ehrung für die Widerstandskämpferin fordert. Wienands bedankte sich für das besondere Engagement von Eva Petermann für Rosa Opitz.
Auch sonst gab es reichlich Lob für die Initiatorin der Unterschriften-Kampagne für die Platzbenennung. Demgegenüber betonte diese: „Ich habe viele, längst gezogene Spuren wieder aufnehmen können. Und fand eine geradezu überwältigende Unterstützung, vor allem von Frauen.“
Deren Rolle im Widerstand sei lange Zeit unterschätzt und zu wenig gewürdigt worden. Nicht nur in Oberfranken habe es zahlreiche weibliche Dissensformen gegeben, die für die Betreffenden zumeist hochriskant waren. Die junge Rosa Völkel, die sich aktiv am Widerstand der Schönwalder Gruppe aus SPDlern und Kommunisten beteiligte, sei in dieser Hinsicht eine „Ausnahmeerscheinung“ gewesen, zitierte Petermann den Selber Historiker Albrecht Bald.
Um „Gegner des Nationalsozialismus in Oberfranken“ ging es in dem zu Beginn gezeigten Dokumentationsfilm „Stille Helden“ des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1990 – eine Rarität, deren Entdeckung die Fraueninitiative einem Freund der Familie Opitz, Gerhard Wurzel, verdankt. Dieser ergriff später auch selbst das Wort.
In dem eigens für die Veranstaltung vom BR-Archiv digitalisierten Film war Rosa Opitz – sehr bewegend für die Versammlung – „leibhaftig“ zu sehen: Trotz ihres zur Zeit der Fernsehaufnahmen bereits fortgeschrittenen Alters lebhaft, attraktiv und verschmitzt, die Hand am Lenker ihres alten Fahrrads, in dessen Lampe sie einst den illegalen „Vorwärts“ schmuggelte. Außer ihr, der einzigen Frau in der außergewöhnlichen BR-Doku über den Widerstand, zeigte der Film u.a. den Schwarzenbacher Rudolf Tröger und den Schönwälder Hermann Werner, der wie andere ihrer Mitstreiter mit seiner Aussage im Verhör Rosa Opitz deckte. Weiterhin kam ein früherer Hofer KPD-Stadtrat zu Wort, Sohn des Widerstandskämpfers Georg Macht. Rudolf Macht setzte Rosa Opitz in seiner „Geschichte der Hofer Arbeiterbewegung“ aus den 1990er Jahren mit einem eigenen Kapitel ein Denkmal.
Vor ihm hatte bereits Ludwig Eiber als erster intensiv über die Hoferin geforscht, worauf Eva Petermann, VVN-Vorstandsmitglied, hinwies. Der spätere Professor für Geschichte gehörte zu den ersten, die für eine Platzbenennung unterschrieben: “Das hat Rosa Opitz auf alle Fälle verdient.“
Neu war für die meisten, dass bereits im November 2003 die SPD-Stadtratsfraktion einen Antrag auf Benennung von Straßen nach dem Hofer antifaschistischen Widerstand und namentlich auch nach Rosa Opitz stellte. Die Stadtverwaltung nahm dies seinerzeit wohlwollend zur Kenntnis – mehr wurde nicht daraus. „Was aber zum 100. Geburtstag nicht geklappt hat, wird jetzt an ihrem 110. Geburtstag stattfinden“, freute sich Eva Petermann.
Sie zitierte die Überschrift des ausführlichen Nachrufs in der Frankenpost vom 10./11. Februar 2001: „Rosa Opitz gestorben – einst die Leitfigur der SPD“. Und fügte unter großem Beifall hinzu: „Als Widerstandskämpferin, als allein erziehende Mutter, als eine von nur drei Stadträtinnen neben 39 männlichen Kollegen im Hofer Stadtrat der Nachkriegszeit, als profiliert linke, populäre Politikerin und als unermüdlich sozial engagierte Frau war und ist Rosa Opitz in der Tat eine Leitfigur und ein Vorbild für uns alle.“
Im Mittelpunkt der Erinnerungsrunde der Weggefährtinnen und Weggefährten saßen dann Rosa Opitz´ Sohn Helmut und seine Frau Roswitha. Die beiden waren eigens aus Rosenheim gekommen, begeistert begrüßt von alten Freunden und Weggefährten.
Reinhard Meringer, wohlbekannt als SPD-Stadtrat und als Fußballer, überreichte seinem einstigen Sportskameraden Helmut ein Mannschaftsfoto aus gemeinsamen aktiven Zeiten. Dessen Mutter, selbst Sportlerin seit früher Jugend, war ebenfalls begeisterter Fußball-Fan und saß regelmäßig selbst auf der Zuschauertribüne. Meringer hob hervor, dass mit der Platzbenennung auch ein Signal gegen den aktuell grassierenden Rassismus und Nationalismus gesetzt werde.
Ursula Büttner-Schödel traf die umtriebige Stadträtin u.a. bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Rosa Opitz erzählte ihr u.a. von der großen Solidarität der Arbeiterwohlfahrt (AWO) gegenüber den Geflüchteten im Lager Moschendorf. Dort waren u.a. Scharen von „displaced people“, Überlebenden des Holocaust, gestrandet. Rosa Opitz und andere AWO-Frauen kümmerten sich besonders um die Frauen, Kinder und Säuglinge. Einer von ihnen war der kürzlich verstorbene Bruder des Vorsitzenden der Hofer Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Leon Gonczarowski.
Dabei hatte Rosa Opitz als allein erziehende, berufstätige Mutter wahrhaftig ohnehin alle Hände voll zu tun. Seine Erziehung sei eher „konservativ“ gewesen, sagte Helmut Opitz, direkt aus dem Publikum danach gefragt, also wohl ganz schön streng. „Aber die Mutter war immer für mich da.“ Im Übrigen wollten er und seine Frau vor allem zuhören, was selbstverständlich respektiert wurde.
Gut bekannt war ihm Dieter Döhla, der frühere Hofer Oberbürgermeister, der Rosa Opitz regelmäßig besucht hatte und Ehrungen für sie anregte. Döhla beeindruckte ihre „positive Grundeinstellung“ und welche Quelle der Freude für Rosa Opitz, die Vollblutpolitikerin, ihr Sohn und ihre Familie gewesen seien. Er begrüßte die Platzbenennung auch unter dem Aspekt, dass bislang Straßenbenennungen nach Hofer Bürgerinnen die absolute Ausnahme darstellten.
1961 wurde Rosa Opitz Mitglied der Seliger-Gemeinde. Deren Landesvorsitzender Peter Heidler berichtete von vielen Gesprächen mit seiner „so charmanten wie resoluten“ Gesinnungsfreundin, auch über ihre Anti-Nazi-Aktivitäten. „Sie rechnete immer damit, erwischt und eingesperrt zu werden,“ gab es doch immer wieder auch Verrat. Ihre furchtlose Standhaftigkeit sei ein Grund mehr, sich für die Demokratie einzusetzen.
Viele Details aus ihrer Vergangenheit erfuhr Reiner Frank von ihr. Als junges Juso-Mitglied wurde er anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Hofer SPD beauftragt, mit ihr ein Interview zu führen. Dieses ist seit kurzem auch auf der SPD-Homepage nachzulesen. „Geistig brillant und mit guter Erinnerung“ stehe ihm die damals Siebenundsiebzigjährige vor Augen, ein Mensch, „der einem in Erinnerung bleibt.“ Und natürlich imponierte ihm sehr, dass sie es gewagt hatte, „sich gegen die große Mehrheit zu stellen“.
Noch als Hochbetagte habe sie sich engagiert in der Hospitalstiftung.
Und sie war es, die den Anstoß dafür gab, dass aus dem einstigen „Schutt- und Dreckhaufen“ mitten im „Vertl“ eine hübsche Grünanlage wurde, so Reiner Frank. Was könne es also „Besseres geben, als nun diesen Platz nach ihr zu benennen?“
Dem konnte sich Thomas Etzel, stellvertretender VVN-Vorsitzender und Stadtrat für Die Linke, in seinem Schlusswort nur anschließen. Zudem brachte er die frohe Kunde: Laut Zusage der Stadt stehe der von der Initiative gewünschte 14. September 2018 als „Einweihungstermin“ nunmehr fest. So erfreulich all dies ohne Zweifel sei, goss er dennoch einige dicke Tropfen Wasser in den Wein: „Wie viele Straßen und Plätze in Hof sind denn bisher nach Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung benannt?“ Die Auseinandersetzung mit der Hofer Geschichte müsse weitergehen.