70 Jahre Befreiung

29. Januar 2015

Ökumenischer Gottesdienst zum Tag der Opfer des Faschismus

Dieselben Worte, dieselben Lieder. Für das Gottesdienstteam ist längst zum Ritual geworden, was die Besucher wohltuend empfinden – es tut gut. Es tut gut, sich miteinander an diesem Tag, dem 27. Januar 2015, dem Gedenktag für die Opfer des Faschismus, dem diesmal 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz durch Soldaten der Roten Armee, mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. 2006 hat dieser Gottesdienst erstmals stattgefunden. Zum zehnten Mal ertönte vergangene Woche zum Abschluss das Lied vom wiedererblühten Mandelzweig. Der Organisatonskreis, bestehend aus evangelischen und katholischen Gemeindemitgliedern, Pfr. Daniel Lunk und Pfr. Joachim Cibura, Vertretern des Vereins gegen das Vergessen und der VVN-BdA Hof-Wunsiedel findet aber auch seit zehn Jahren immer wieder einen neuen Impuls für diese Stunde. Nach Lesung und Liturgie konnten die Besucher des Gottesdienstes diesmal einer Fachfrau lauschen, die die sachliche Seite eines Traumas beschrieb. Schwester Edith Schmidt von der Christusbruderschaft Selbitz ist Diplom-Psychologin. „Ein Trauma bedeutet das Erleben einer Extremsituation, die alle bisherigen Bewältigungsmöglichkeiten eines Mernschen übersteigt. Sein Vertrauen ins Leben und in andere Menschen wird grundlegend erschüttert“, erläuterte sie. Das kann ein Unfall sein, ein Schicksalsschlag oder – und das kennzeichnete sie als besonders belastend und schwerwiegend – die Erfahrung von körperlicher Gewalt oder gezielter Entwürdigung durch andere Menschen, etwa eine Gefangennahme oder Folter. Bestimmte Reaktionsmöglichkeiten werden häufig beobachtet: das Wiedererleben der traumatischen Ereignisse, verursacht etwa durch eine bestimmte Situation, ein Wort, einen Geruch; die Vermeidung bestimmter Situationen – man geht z. B. nicht mehr in einen Keller, die Unfähigkeit, von dem Erlebten zu sprechen, und als weitere Reaktion die Übererregbarkeit im Sinne von z. B. Schlaflosigkeit, Gefühlsausbrüchen, vordergründig unbegründbaren Affekten. Schwester Edith brachte diese theoretische Beschreibung in Zusammenhang mit den Opfern in den Konzentrationslagern, aber auch mit den heute in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. „Die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung als Folge der erlebten Traumata kollidiert dann hier mit den Anforderungen des Asylverfahrens,“ erklärte sie, „denn die Flüchtlinge sind verpflichtet, alle Informationen, die zu ihrem Asylantrag gehören, umfassend und detailliert einer fremden Person zu berichten, oft noch mit einem Übersetzer, von dem man nicht weiß, ob er genau übersetzt, was man ausdrücken will.“ Konkrete Beispiele veranschaulichen ihre Ausführungen. Im Anschluss an den Gottesdienst beteiligten sich viele Besucher an dem Fackelzug durch den Friedhof zu den Gräbern der Opfer aus dem Jahr 1945. Nanne Wienands, Vorsitzende der VVN-BdA Hof-Wunsiedel, berichtete vom Einsatz der Schwarzenbacher Stadträte vor 50 Jahren, die erreicht hätten, dass diese Toten nicht nach Flossenbürg umgebettet wurden wie über 5000 andere aus ganz Bayern. „Die Stadträte wollten diese Gräber als Gedenkstätte zur Bewusstseinbildung für die Bevölkerung behalten, und wir sind heute dankbar dafür.“ Wienands wies auf das neu erschienene  Buch von Dr. Hans Brenner hin „Todesmärsche und Todestransporte“, in dem auch der Schwarzenbacher Todesmarsch erwähnt sei. Dieses Buch mache deutlich, wie viele Menschen am Ende des Krieges noch kreuz und quer durch ganz Europa getrieben wurden. Die Fußmärsche und die Transporte bedeuteten für viele Menschen das Todesurteil. Dass es auch anders hätte gehen können, habe im November 2014 der Historiker Ulrich Fritz bei einem Vortrag in Schwarzenbach berichtet. „In Mehltheuer bei Plauen übergab Lagerkommandant Fischer am 16. April 1945 die Häftlinge an die befreienden amerikanischen Truppen, alle Frauen überlebten die letzten Kriegstage. Genauso wie die Frauen in Helmbrechts hatten sie für die Rüstung arbeiten müssen. Mögen sie alle nicht vergessen werden.“